Das Gespräch führte Hannelore Timpe
Es ist Zeit, in unserem Gemeindebrief ein Isingeröder Gesicht vorzustellen. Genauer gesagt zwei Gesichter, denn es handelt sich um das Ehepaar Albert und Johanna Woile. Johanna Woile, vielen besser bekannt als „Hannchen“ Woile, lebt schon seit 1949 in Isingerode. Ihr Mann Albert Woile, geboren in Kl. Flöthe, zog mit der Eheschließung im Jahr 1958 ins Dorf und verbrachte sein Berufsleben als kaufmännischer Angestellter in Braunschweig. In Isingerode wohnen beide in ihrem gepflegten Heim mit großem Garten. Sie fühlen sich wohl hier im Ort, umgeben von netten Nachbarn, und berichten im Interview, dass sie nie woanders leben wollten. Auch nach weiten Reisen stand ihnen nie der Sinn – zwar unternahmen sie ab und an mal eine Busreise und 1975 waren sie auch mal auf Mallorca, aber zu Hause sei es doch am schönsten. Dabei hätten sie alle Möglichkeiten gehabt, besonders weil zwei der vier Brüder von Frau Woile viele Jahre im Ausland lebten und arbeiteten und das Ehepaar deshalb Einladungen nach Australien, Korea, Uruguay oder Ägypten bekam.
Johanna Woiles Kindheitserinnerungen sind Erinnerungen an Flucht und Vertreibung. 1945 musste sie im Alter von 10 Jahren mit Großmutter, Mutter und Brüdern ihr Elternhaus in Wehrau in Niederschlesien verlassen. Sie erinnert sich an den Angriff auf Dresden am Ende des Zweite Weltkriegs. Als sie dort am Bahnhof den Zug verlassen mussten, sahen sie die Flammen. Ihre Flucht endete zunächst im heutigen Tschechien, von dort ging es zu Fuß zurück nach Schlesien in ihr Elternhaus. „Wo sollten wir denn hin?“ fragt Frau Woile. Sie erinnert sich an den Hunger, zu Essen gab es Pilze oder was man so fand. Im Winter erlegte ihr Bruder einmal einen kapitalen Hirsch, der Fleisch lieferte. Ihre russisch sprechende Großmutter habe sie bei Plünderungen vor dem Schlimmsten bewahrt. Sie erinnert sich an eine Übernachtung während der Flucht im Wald, als sie vom Schnee überrascht wurden und ihr Hund, den sie zu Hause zurücklassen mussten, plötzlich auftauchte und sie ihn dann einschläfern mussten, weil man einen Hund doch nicht mitnehmen konnte.
Durch einen Bruder ihres Vaters, den es nach Schladen verschlagen hatte, kam die Familie dann schließlich über das Rote Kreuz nach Isingerode. Dort wohnte sie zunächst zusammen mit anderen Flüchtlingsfamilien in einer Baracke, bevor man ihnen eine andere Unterkunft zuwies. Frau Woile ging zunächst noch etwa ein halbes Jahr zur Schule und dann „in Stellung“ im Haushalt bei Familie Lüttgau. Eberhard Lüttgau sorgte dann dafür, so erzählt Frau Woile, dass für die Flüchtlinge Einfamilienhäuser gebaut wurden. In so einem Haus wohnen die beiden bis heute. Lüttgau, so betonen beide immer wieder, sei ein Segen für unser Dorf gewesen, er habe sich immer eingesetzt und viel getan für Isingerode. Lüttgau war ja auch Vorsitzender des Sing- und Kulturkreises, in dem praktisch jeder Dorfbewohner Mitglied war. Johanna Woile war 18 Jahre Kassiererin des Vereins. Der Verein habe das Dorfleben entscheidend geprägt, so die beiden, die sich auch gerne an die vielen Dorffeste und Feiern erinnern. „Und alle waren dabei“, so Albert Woile, „der Zusammenhalt im Dorf war schon noch größer“. Zu der Zeit engagierte auch er sich sehr im Dorf. Als Chronist fotografierte er bei allen Veranstaltungen und so es gab mehrere Diaabende für die Dorfbewohner. Jetzt sollen die vielen hundert Dias digitalisiert werden, damit nichts verloren geht.
Das Ehepaar Woile hat zwei Kinder und zwei Enkeltöchter. Sohn und Schwiegertochter wohnen mit im Haus und übernehmen jetzt die Pflege des großen Gartens. Bei aller Zufriedenheit mit ihrem Leben in Isingerode üben beide am Schluss des Gesprächs noch etwas Kritik: Der Isingeröder Friedhof sei in keinem guten Zustand. Sie würden dort öfter mal zufassen und Laub harken oder Gießkannen schrubben.
Johanna Woile ist erst vor wenigen Jahren vom Katholizismus zum evangelischen Glauben übergetreten, wie sie sagt, ihrem Mann zuliebe. Woiles freuen sich, wenn in Isingerode ein Gottesdienst stattfindet und bedauern es sehr, dass sie beim nächsten Gottesdienst an Pfingsten wegen eines Familientreffens nicht da sein werden.
